erschienen | 25.05.2023 |
Länge | 2 Stunden 15 Minuten |
Genre | Fantasy, Drama, Romanze |
Regie | Rob Marshall |
Cast | Halle Bailey, Jonah Hauer-King, Melissa McCarthy, Javier Bardem |
Drehbuch | David Magee, Hans Christian Andersen, John Musker |
Score | Alan Menken |
Quelle: Disney
Zum 100-jährigen Jubiläum frischt Disney eine 34 Jahre alte Marke in Form von Arielle auf und nimmt dafür ein ordentliches Budget in die Hand: 250 Millionen US-Dollar, um den 2D-Zeichentrickfilm in ein Live-Action-Remake zu übersetzen. Warum? „Weil sie es können“, so könnte eine der Standard-Antworten lauten. Doch bei vergangenen Versuchen wie in „Das Dschungelbuch“ oder „Aladdin“ zeigt sich, was bei der Übersetzung von Zeichnung zu Analog in erster Linie verloren geht: der Charme. Und die Neuauflage von Arielle, die Meerjungfrau bildet da nicht die Ausnahme. 53 Minuten Aufschlag (!) werden den Zuschauer:innen zudem serviert, indem das Schiffsunglück von Prinz Eric und seiner Crew in die karibischen Gewässer verfrachtet wird. Zudem ist Eric nun der Adoptivsohn (?) vom weiblichen Oberhaupt eines der sich dort befindenden Inseln.
Rein aus gestalterischer Sicht scheitert das Remake von Arielle daran, dass der Realismus sich mit der farblichen Akzentuierung von Szenerie und Charakteren beißt und vereinzelte Niedlichkeiten aus dem Original wegradiert. Arielles Haarpracht leuchtet nicht mehr in dem kräftigen Rot und der Dreizack wirkt eigenartig klobig. Am schlimmsten haben es ihre tierischen Kumpane erwischt. Sebastian und Fabius haben nicht mal ansatzweise die gleiche sympathische Ausstrahlung wie aus der Zeichentrick-Version. Stattdessen stechen beim Live-Action-Krebs die gedehnten Augen sowie die neue, wenig markante Stimme hervor, während Fabius mit seiner Schlankheit und dem faul animierten Mundlippen entbehrlich geworden ist. Scuttles Geschlecht ist nun weiblich, wodurch das Catcalling-Problem aus dem Original behoben wurde, aber dafür wurde sie mit einem rappenden Synchro-Add-on namens Awkwafina ausgestattet. Auf Deutsch die Synchronsprecherin Maria Hönig dabei zuhören zu müssen, wie sie „Klatsch und Tratsch“ in Doubletime in das Mikrofon rappt… schmerzverzerrt die Augen zukneifen und durch.
Der Rap-Exkurs geschieht zum Glück nur einmal im Soundtrack, der zweiten Kernkomponente des Originals. „In deiner Welt“ ist noch der am besten vorgetragene Song, „Unter dem Meer“ leidet qualitativ an der deutschen Stimme von Sebastian und „Die armen Seelen in Not“ geht durchaus in Ordnung mit Ursulas guter Stimmbesetzung (Anke Reitzenstein und Aline Staskowiak) die in einem Moment gar die originale Präsenz erfolgreich repliziert. Mit der deutlichen längeren Laufzeit artet der Soundtrack zu einer Deluxe-Edition aus, in der die Charaktere mit einem Song oder mehreren Songs spendiert worden sind. Im weiteren Verlauf werden diese mit der karibischen Kultur verwebt, in die Arielle im einschlägigen Fish-out-of-Water-Prinzip hineinstürzt. Das ist nett gemeint, strengt aber im Mittelteil zunehmend an, sofern man mit dem Original bereits vertraut ist.
Den anfänglichen, völlig ungerechtfertigten Buzz hatte das Arielle-Remake durch das Casting der schwarzen Schauspielerin Halle Bailey generiert. Sie erfüllt ihre Titelrolle mehr als solide, nur anhand ihres Schauspiels beurteilt. Sie sowie der restliche Cast stechen durch seine Diversität heraus – ein passendes Merkmal für Disneys Jubiläumsjahr – und kulminiert in ein passables Panorama der menschlichen Vielfalt, in der der Brechstangen-Ansatz teilweise hindurchschimmert. Zur Anmerkung: Durch die Diversität gelangt das Drehbuch nun in eine „White Savior“-Bucht, aus der es sich herausmanövrieren kann.
Die Neuauflage von Arielle, die Meerjungfrau plagt zum einen der verschwundene Charme mit dem Realismus, doch viel mehr sollte die Frage gestellt werden: Wozu eigentlich das Remake? Für eine Technikdemo unter Wasser hat man nun „Avatar: The Way of Water“ in seinem Filmarsenal und dieser Blockbuster mit beeindruckenden Effekten befand sich seit mehr als zehn Jahren in der Entwicklung. Während James Cameron jedes seiner Kameraeinstellungen bis auf den letzten Pixel mit Bombast und Sorgfalt übertrieben optimiert hat, sind die Bilder im Arielle-Remake nahezu durchgängig unspektakulär und uncharmant. Die Animation bei der Hai-Jagd im Schiffswrack wackelt außerdem bedenklich. Es ist paradox.
Letztendlich wurden hier 250 Millionen US-Dollar in den digitalen Meeresboden versenkt mit einer fast gleichen Geschichte, nur mit einer mehrminütigen Ablenkungsshow auf einer Karibik-Insel und einer Diversität, die kaum der Rede wert sein wird. Denn Disney feuert diesen Sommer 750 Millionen US-Dollar auf die Leinwände dieser Welt, damit sich die Zuschauer:innen Arielle, die Meerjungfrau, „Indiana Jones 5“ und Pixars „Elemental“ anschauen sollen. „Weil sie es können“ würde man bei ihrem Standing sagen, doch neue Geschichten mit einem eleganteren, gesellschaftlichen Bezug zu erzählen sollte Disney auch können. Remakes wie Arielle zum großen Jubiläum sind eher Ausdruck des Ausruhens auf den Lorbeeren der Renaissance-Ära und der Ausreizung der Nostalgie bei den Besucher:innen. Wenn aufgrund geringer Einnahmen ein Stellenabbau beim Studio anstehen sollte, dann lautet der Grund definitiv nicht „weil sie es nicht anders wussten“, sondern weil sich Disney zu wenig traut.
Film | Arielle, die Meerjungfrau |
erschienen | 29.11.1990 |
Länge | 1 Stunde 23 Minuten |
Genre | Fantasy, Drama, Romanze |
Regie | Ron Clements, John Musker |
Cast | Jodi Benson, Samuel E. Wright, Rene Auberjonois |
Drehbuch | Ron Clements, John Musker, Hans Christian Andersen |
Score | Alan Menken |