Holy Spider

7,5 / 10

Ausgewählt für den dänischen Oscar-Beitrag 2023 stellt Holy Spider über eine Krimi-Parallelmontage die perfide Verflechtung von Religion, Kriminalität und Stigmatisierung der Prostitution dar. Regisseur Ali Abbasi führt während der Handlung die Erzählstränge der – wegen mangelnder Ermittlung seitens der Polizei – frustrierten Journalistin Arezoo Rahimi (fantastisch verkörpert von Zar Amir Ebrahimi) und des versessenen Serienkillers Saeed (Mehdi Bajestani) bewusst zueinander und wieder auseinander, um die Rezeption der explizit dargestellten, ermordeten Prostituierten und die ausgehende Gefahr in der iranischen Stadt Maschhad einzufangen. Konventionelle Beats treiben zwar die Geschichte voran und das Erzähltempo erscheint langsam, doch die bessere Entscheidung für das abwechselnde Porträtieren beider Seiten verlagert die Spannung von der klassischen Frage, ob und wie der Täter gefasst wird, zum Zentrum des Unrechtknotens: Wie wird der Täter von der Bevölkerung betrachtet und schließlich von der Justiz behandelt?

Unterdessen zeigt sich auch die dreiste Rechtfertigung dieser abscheulichen Taten unter Berücksichtigung des Islam als auch die verstörende Narrenfreiheit der Männer, wodurch die Frauen ihrer Stimme und ihrer Bewegungsfreiheit nahezu gänzlich beraubt werden – ein Umstand, der im Zuge der Proteste seit September diesen Jahres im Iran nach dem Tod von Mahsa Amini durch die Sittenpolizei besonders zu Tage tritt. Mit einer eindrücklichen Schlussszene wird der Rückblick auf die Rekonstruktion dieser Taten zum pessimistischen Ausblick auf potentielle Nachahmer (man beachte das durchschimmernde Grinsen) sowie das rigide, patriarchalische Rollenbild gegeben.