Last Night in Soho

7 / 10

War früher alles besser? Mit dieser Frage beschäftigt sich der unkonventionelle Psycho-Horrorfilm Last Night in Soho, der das neue Leben der aus Cornwall stammenden Eloise in der Hauptstadt London begleitet, wo sie ihr Modestudium beginnt. In ihrer Wohnung hat sie nachts nostalgische Träume von den 60er-Jahren, in denen sie die Sängerin und Tänzerin Sandy immer wieder sieht und ihren Werdegang im Showbusiness in Soho mitverfolgt. Doch mit jedem weiteren Traum verfinstert sich ihre anfängliche Faszination von dieser Zeitepoche und Eloise sieht die wahre Verteilung der Geschlechterrollen. Doch ihre Träume scheinen auch in die jetzige, moderne Welt durchzudringen und beeinflusst ihr Studium zunehmend mental.

Last Night in Soho fasziniert visuell mit den ausschweifenden Ausflügen in die 60er-Jahre und einem ergiebigen Soundtrack, der dem Streifen sehr schnell einen schönen Drive und Rhythmus verleiht und Eloises Begeisterung toll begleitet. Sehr geschickt sind die Spiegelaufnahmen, wenn Eloise und Sandy gleichzeitig zu sehen sind oder sich spielerisch abwechseln. Es sind auch gängige Horror-Elemente wie der Jumpscare und zombieartige Geister vorhanden, aber die sind fast schon sekundär. Viel interessanter sind die sich langsam aufbauende Abschreckung und der „Grusel“ vor den Sechzigern an sich mit der klaren Verteilung der Geschlechterrollen.

Dazu gesellen sich auch widersprüchliche Gefühle und Meinungen beim Zuschauer, was diese Verteilung anbetrifft und wie damit von den Darsteller:innen umgegangen wird. Während die erste Hälfte des Films sehr stringent daherkommt, nimmt die zweite Hälfte ein oder zwei Umwege und verheddert sich fast in der Handlung. Der finale Akt hingegen nimmt nochmal an Fahrt auf und greift dabei auch auf das Standardrepertoire von Horrorfilmen zu. Leider werden die Nebenhandlungsstränge der Kommilitonen etwas salopp beendet, was das Ende sehr gehetzt wirken lässt.

In meinen Augen geht Edgar Wrights Last Night in Soho einen gesellschaftskritischen Weg wie Nia DaCostas und Jordan Peeles Candyman und zeichnet ein abschreckendes Bild über ein gesamtes Jahrzehnt mit überholten, despektierlichen Ansichten und Verhalten gegenüber Frauen in der damaligen Gesellschaft. Bezüglich der Rolle der Frau und dem Showbusiness frage ich mich: Ist es heute besser geworden?

Kritik veröffentlicht am 2. November 2021.