Filmkritiken
Piaffe
erschienen 04.05.2023
Länge 1 Stunde 26 Minuten
Genre Fantasy, Erotik, LGBTQ+
Regie Ann Oren
Cast Simone Bucio, Simon(è) Jaikiriuma Paetau, Sebastian Rudolph, Lea Draeger, Josef Ostendorf
Drehbuch Thais Guisasola, Ann Oren
Musik äbvsd, VTSS, Munsha
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Quelle: Salzgeber

Piaffe

8,5 / 10

Nach dem Anruf eines mürrischen Produzenten muss die scheue Protagonistin Eva (Simone Bucio) ihre ersten Schritte als Geräuschemacherin machen. Sie steht vor der Aufgabe, einen Werbespot für ein US-Pharmaunternehmen zu vertonen, in dem ein Pferd in Zeitlupe in der Reithalle trabt. Dabei vertieft sie sich derart in ihre neue Tätigkeit und dem Thema, dass aus ihrem Steißbein allmählich ein Pferdeschwanz herauswächst. Unter diesem Umstand beginnt Eva, ihren Körper zu ergründen.

Die Kurzfassung (sowie der Pressetext vom Verleih Salzgeber) erinnert dabei nicht zufällig an den verspielten Underground-Hit „My Barn My Rules“ mit der sich wiederholenden Zeile „I walk, I trot, I lope, I gallop“. Gemäß der Lyrics entwickelt sich Piaffe vom titelgebenden Traben auf der Stelle zu einem treibenden Techno-Trip und ist taktiles Kino vom feinsten. Zärtliche Bewegungen fängt Regisseurin Ann Oren in ihrem Langfilm-Debüt mit einer atemberaubenden Langsamkeit auf 16 Millimeter ein. Aus der durch und durch queeren Horsegirl/Horsehuman-Fantasy entwickelt sich ein im intensiven Rot betonter Erotik-Thriller mit elektrisierenden Nahaufnahmen. Hervorragend ist dabei die Einbindung in den Beruf des Geräuschemachens.

So beschäftigt sich Ann Oren in Piaffe mit der stetigen Annäherung von Bild und Ton. Eva wird präziser in ihrer Vertonung eines Pferdes, dank entsprechender Nachforschungen auf einem Hof. Langsam finden sich die beiden Elemente, Oren lässt Evas Gedankengänge und ihre sich verselbstständige Obsession in den Beruf in die Wiederholung von Bildabläufen einfließen. Dazu gesellt sich die sexuelle Erkundung auf den wummernden Wellen des Techno-Klangs. Wenig überraschend ist hierbei die Bildsprache in einem Berliner Club: Hohe Luftfeuchtigkeit, Kalt-Warm-Kontraste im Licht sowie Ausgelassenheit unter den Clubgängern vermischen sich mit bretternden Beats.

Oren transportiert den Techno und die Atmosphäre alsbald in andere Räume, Schritt für Schritt verschmelzen die Bilder mit der Musik, mit der Bewegung, mit Evas Erlebnissen. Es entsteht ein regelrechter Bann. Geschickt wird der Antagonist, ein Botaniker, in die Geschichte eingeflochten. Auch er ist von seiner Observation von Farnpflanzen genauso besessen wie Eva von ihrer sexuellen Selbstfindung. Symbolik und Exposition rücken die Entfaltung von Mensch wie Natur an sich ganz klar in den Vordergrund.

Großartig erklärt wird hier nichts. Piaffe zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Selbstverständlichkeit in der Narration und der Kommunikation unter den Akteuren aus. Hier geschehen die Dinge einfach, eine Grenze wiederum gibt es dabei natürlich auch. Durch den entstandenen Sog geht das Überschreiten der Grenze fast unter, dies aber bedingt in der eigenen Wahrnehmung, nicht als Fehler in der Erzählung. Oren ist sich ihrer geschaffenen Figuren sehr bewusst, die Horsegirl-„Attitüde“ verkommt dabei nicht ins Lächerliche dank der fest verbundenen Elemente des Films. Die schwer zu verstehenden, auf Deutsch gesprochenen Sätze von Simone Bucio sind jedoch unglücklich.

Trotz oder gerade wegen der Verortung des Films im Techno-Gefilde funktioniert Piaffe in seinen nicht einmal 90 Minuten Filmlänge ausgesprochen gut. Das langsame Erzähltempo kombiniert mit der schnellen kräftigen Musik sorgt für einen einzigartigen Kontrast. Der Abspann malt Evas Werdegang konsequent aus. Kurzweilig, aber niemals langweilig.

Film Piaffe
erschienen 04.05.2023
Länge 1 Stunde 26 Minuten
Genre Fantasy, Erotik, LGBTQ+
Regie Ann Oren
Cast Simone Bucio, Simon(è) Jaikiriuma Paetau, Sebastian Rudolph, Lea Draeger, Josef Ostendorf
Drehbuch Thais Guisasola, Ann Oren
Musik äbvsd, VTSS, Munsha