Red Rocket

8,5 / 10

Eine dunkle Komödie über den fiktiven Pornostar Mikey Saber (Simon Rex), der sich in seinen Heimat-Bundesstaat Texas zurückzieht und sein schneller Lebensstil eigentlich überhaupt nicht dorthin passt. Mikey handelt fast nur im Affekt und trifft eine Entscheidung nach der nächsten, ohne darüber nachzudenken, was die Konsequenzen sein könnten. Sein Einfluss auf die Personen um ihn herum ist absolut giftig, beginnend bei seiner Ehefrau Lexi (Bree Elrod), die er seit langer Zeit nicht mehr gesehen hat, die Nachbarschaft, in der er beginnt Drogen zu verticken nach gescheiterter Arbeitssuche und schließlich Daylee alias Strawberry (Suzanna Son), in die er sich verguckt und in ihr einen potentiellen Pornostar sieht. Hier bahnt sich Gefahr ohne Ende an!

Auch wenn im Film nicht wenig gelacht wird, vergeht einem das zunehmend bei all den Entscheidungen von Mikey, in denen er auf eine Besserung seines Lebens hofft – koste es, was es wolle. Das liegt nicht zuletzt daran, dass er einen Schutzwall aus Spontanität, Überzeugungskraft und Überheblichkeit errichtet, an denen die Einwohner von Texas City nicht vorbeikommen und sie immer weiter einzäunt. Dabei zeigt sich ein großer Kontrast in den Lebensweisen: Während Mikey durch seine langjährige Arbeit als Pornostar stets auf der hohen Welle wortwörtlich geritten ist, leben die Einwohner bodenständiger, abgehärtet, frustriert und eingeschränkt von den geringen, finanziellen Mitteln und der Abhängigkeit von der dominierenden Ölindustrie – eine Gesellschaftsreportage, in der der Journalist verbrannte Erde hinterlässt.

Sean Baker inszeniert Mikeys Lebensstil fast wie den von Howard Ratner aus Uncut Gems: Rastlos, hektisch und sobald sich eine günstige Gelegenheit ergibt, wird sofort gehandelt. Der schnelle Schnitt und die dynamischen Wechsel funktionieren dabei wunderbar miteinander. Die Kameraeinstellungen sind häufig nah an den Charakteren und der aufgesetzte Zoom fängt die augenblickliche Gefühlslage gut ein. Der Nachteil von Mikeys Lebensstil ist zugleich die Schwäche des Films: In den 128 Minuten etablieren sich die Charaktere ziemlich gut durch das authentische Schauspiel, während das Auto mit Mikey auf dem Beifahrersitz über die Ego-Schnellstraße etwas zu lange brettert, bis dann spontan die Ausfahrt genommen wird. Die Destination des Protagonisten wiederum rundet die Geschichte stark ab – befindet sich das Gift in der Sackgasse oder kann es sich weiter ausbreiten?

Wer „Pleasure“ von Ninja Thyberg gesehen hat, wird hier eine ähnliche Aufarbeitung der Porno-Branche wiederfinden und kann auch mit den eingestreuten Gags diesbezüglich mehr anfangen. Red Rocket von Sean Baker porträtiert zwei entgegengesetzte Lebensstile, in denen der konstante Antrieb für einen Neustart mit der finanziellen Limitierung und den widrigen Wohnverhältnissen in Texas City kollidiert. Zusätzlich kann man eigenartige Beziehungen beobachten, die Mikey entweder durch Medikamente künstlich aufrechthält oder durch sein toxisches Verhalten hochpusht. Ein trickreicher Cocktail mit einem Schuss Humor, dem man sich in diesem Fall nicht ausliefern lassen sollte.