Filmkritiken
The Zone of Interest
erschienen 29.02.2024
Länge 1 Stunde 45 Minuten
Genre Drama, Geschichte, Horror
Regie Jonathan Glazer
Cast Christian Friedel, Sandra Hüller, Johann Karthaus, Luis Noah Witte, Nele Ahrensmeier, Lilli Falk
Drehbuch Jonathan Glazer
Musik Mica Levi
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Quelle: A24 | Leonine Studios

The Zone of Interest

7,5 / 10

Mit der DIN Condensed als ausgewählte Schrift im Vor- und Abspann bildet Jonathan Glazer quasi den Handlungsrahmen seines neuesten Films The Zone of Interest. Denn was die Zuschauer:innen in den folgenden 105 Minuten vorwiegend zu hören bekommen, ist der strukturierte, verdichtete, absolut bösartige Massenmord der Nazis gegenüber Menschen jüdischen Glaubens, hinter den Mauern des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Vorwiegend zu sehen ist jedoch das Leben der Familie von Kommandant Rudolf Höss, dessen Residenz gleich nebenan, Mauer an Mauer zur tagtäglichen Tötungsmaschinerie sich befindet.

Das Wort „nebenan“ spiegelt auch die verstörende Pseudo-Normalität wider, in der sich die Höss wähnen. Angestellte und Höss‘ Kollegen gehen ein und aus, seine Kinder spielen und im Büro des Kommandanten wird das weitere Vorgehen im Konzentrationslager wird im Büro des Kommandanten besprochen. Es ist nichts weiter als ein fassungsloser Alltag, den die Bilder zeigen. Aus dem Kamin aufsteigender Rauch, Dampfschwaden aus den anrollenden Lokomotiven und mit Stacheldraht bekleidete Betonwände sind das Maximum am gesehenen Übel.

Und wenn das schon nicht reicht, folgt im von Hedwig Höss geschaffenen „Paradiesgarten“ die Zuspitzung von Wohlstand auf der einen und Hölle auf der anderen Seite. Letzteres ist das Ergebnis eines exzellent zusammengestellten Sound-Designs. So ist es dieses ausgiebige Aneinanderreiben von dokumentarischen Bildern und authentischen Ambient-Horror-Tönen, das wirklich beängstigt und schwer im Magen liegt.

Die bebilderten Blumen verlieren jeglichen Glanz, jegliche Schönheit. Wenn überhaupt sind ihre Struktur Ausdruck des entfalteten Wahnsinns, zu dem Menschen in der Lage sind. Treffend, der langsame Übergang in die Farbe Rot. Parallel ist die Überwachungs-gleiche Kameraführung bewusst trocken und präzise im Haus wie auch die Bilder im Garten oder beim naheliegenden Fluss. Dazu fügt sich das Schauspiel von Christian Friedel und Sandra Hüller nahtlos an. Besonders in einem Moment des Ausbruchs von Hüller stockt einem der Atem.

Jedoch lenken Thema und eine auf maximalen Kontrast ausgelegte Perspektive nicht von einer eigens empfundenen Taubheit ab. Wer die Strand-Szene aus Glazers vorherigen Film „Under The Skin“ kennt, bekommt in The Zone of Interest sozusagen die 105-minütige Langfassung der schockierenden Ereignisse. Es entwickelt sich eine seltsame Monotonie, die gleichzeitig ein Für und Wider ist, eine Mischung aus Abstoßung und Abgestumpftheit beim Zuschauen. Vielleicht ist das Design generell mit den Kameras und Akteur:innen zu kalt, vielleicht hat das Konzept nach den ersten zwei Drittel sich bereits erschöpft. Das wiederum selbst zu reflektieren und über die eigene Gefühlslage selbst betroffen zu sein, zeigt, dass der Film etwas richtig macht.

Eine Anmerkung: Nie hat die Belüftungsanlage in einem Kinosaal dermaßen gestört wie in dieser Vorstellung!

Weil die Bilder auf eine Dokumentation des Schreckens abzielen, ist der Score von Mica Levi sehr reduziert und wird kurz eingestreut. Dafür umschreiben die Stücke im Vor- und Abspann, wie schon die Schrift, das Gesehene ausgesprochen gut. Schwarz ist das Bild, während Chöre wie Geister klingen, wie heranschwappende dumpfe Wellen aus dem Nachleben der Holocaust-Opfer. Die hallenden Streicher und das Zwitschern der Vögel im Anschluss bilden einen „sanften“ Übergang zum audiovisuellen Kontrast. Unheilvoll kommt die Ambient-Eröffnung von Mica Levi daher, wabert zwischen Wolfgang Voigts Projekt GAS (bitte nicht wörtlich nehmen) und Boards of Canada. Alles zusammen ergibt ein sehr stimmiges Gesamtbild, das die Gegensätze aber auch doppelt und dreifach unterstreicht.

Film The Zone of Interest
erschienen 29.02.2024
Länge 1 Stunde 45 Minuten
Genre Drama, Geschichte, Horror
Regie Jonathan Glazer
Cast Christian Friedel, Sandra Hüller, Johann Karthaus, Luis Noah Witte, Nele Ahrensmeier, Lilli Falk
Musik Mica Levi